Als erster Schritt der Eindeichung ist im 12. und 13.
Jahrhundert um die gesamte ostfriesische Halbinsel ein etwa 50 bis 100
Zentimeter hoher Deich, der sogenannte Goldene Ring, entstanden, um die
hochwassergefährdeten Gebiete entlang der Küste zumindest vor den normalen
Gezeiten zu schützen. Auf diesen Deichen führen heute vielfach die
verkehrstragenden Straßen wie zum Beispiel der Werdumer Altendeich ab
Neuharlingersiel-Mühlenstrich entlang.
„Goldener Ring“ hält kaum
Stand
Diese Deiche hielten natürlich keinen großen Sturmfluten stand,
wie die Große Marcellusflut vom Februar 1362 eine war. Wegen ihrer verheerenden
Auswirkungen wurde sie auch die „Große Manntränke“ genannt, da ihre Fluten bis
weit ins Binnenland reichten. Sie zerstörte zumindest die Schutzwirkung des
Goldenen Rings, so dass die Einzel- und Dorfwarften wieder den kompletten
Gewalten der Gezeiten ausgesetzt waren.
Es folgte eine Phase mit kriegerischen Auseinandersetzungen im
15. Jahrhundert, in dem die Mächteverhältnisse im eigenständigen Harlingerland
und der benachbarten Grafschaft Ostfriesland neu geordnet wurden.
Für Werdum bedeutete dies, dass die wirtschaftlich wichtigen
Wasserzugänge zur Nordsee zu erhalten waren. Diese bestanden wahrscheinlich in
Wallum und im Bereich der Burg Edenserloog.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts überwog jedoch das Bedürfnis,
neues Land zu gewinnen und zumindest die bei der Marcellusflut verlorenen
Gebiete zurückzugewinnen: So entstand bis etwa 1550 das heutige Gebiet von
Werdumer Altendeich – mehrere Tausend Hektar wertvollsten Ackerlandes, das von
der Seriemer Mühle, Kapkehörn, Nordwerdum bis nach Wallum reichte.
Erste Flächen werden gewonnen
Aber auch auf der anderen Seite des alten Ringdeiches bis zum
heutigen Altharlingersiel wurden große Flächen gewonnen. Diese Landgewinnung
entwickelte sich immer weiter gen Osten in Richtung des heutigen
Altharlingersiel (gegründet 1578) und Altfunnixsiel (gegründet 1598) und
ermöglichte 60 Jahre später 1658 die Gründung von Neufunnixsiel.
Die Gewinnung des Werdumer Altengrodens endete jedoch 1617, etwa
am heutigen Spinnereiweg, und brachte damit zunächst eine jahrzehntelange Phase
der Landgewinnung zum vorläufigen Abschluss. Sie fiel in die Herrschaftszeit
von Graf Enno III. von Ostfriesland (1563–1625, regierte seit 1599),
mütterlicherseits ein Enkel von König Gustav Wasa von Schweden (1496–1560,
regierte seit 1523) und seit 1600 durch den Berumer Vergleich (Heirat 1581 mit
der letzten Herrin des Harlingerlandes Walpurgis, 1555– 1586) auch Herrscher im
Harlingerland, also in den Ämtern Esens und Wittmund.
Der für die Burg Edenserloog und das Dorf Werdum wichtige
Wasserzugang zur Nordsee konnte zunächst durch das Alte Werdumersiel (etwa in
Höhe Weißer Floh) noch erhalten werden, durch das 1617 entstandene Neue
Werdumer Siel (Lage in Höhe des Spinnereiweges) war dieser jedoch verloren, da
er im Bereich des Amtes Wittmund lag.
Ämter Esens und Wittmund im
Einklang
Besonderheit dieser Landgewinnung ist sowieso, dass sie von
vorneherein amtsübergreifend in den Ämtern Esens und Wittmund erfolgte: Ein
Teil der Ländereien befand sich im Esenser Einflussgebiet, der übrige im
Wittmunder. Dies macht sich noch heute dadurch bemerkbar, dass etwa die Hälfte
der Bewohner Werdumer Altengrodens Esenser Bürger, die anderen Wittmunder
Bürger sind.
Dies gilt jedoch nur für die politische Gemeinde,
kirchlicherseits gelten andere Grenzen: So kann es sein, dass man seine Steuern
nach Wittmund zahlt, aber nach Werdum in die Kirche geht.
Quellen und Literatur: Balthasar Arends,
Landesbeschreibung vom Harlingerland, Reprint Esens 1993, hrsg. Von Dr.
Heinrich Reimers, Wittmund 1930. Harlebucht erfahren, 8 Karten und Einführung,
Schortens 2005. Axel Heinze: in Ortsnamendatenbank www.ostfriesischelandschaft.de; abgerufen 2. 12. 2017. Axel Heinze in: Anzeiger für
Harlingerland vom 2. 12. 2017, Serie zur Weihnachtsflut 1717, Teil 1. Wiard
Hinrichs, Kopfschatzung 1757, Aurich 2009, Es 60, Vogtei Werdum. Wiard
Hinrichs, Volkszählung 1861, Die Einwohner der Ämter Esens, Friedeburg,
Wittmund und der Stadt Esens, Werdum 2009. Historisch-Landeskundliche
Exkursionskarte von Niedersachsen, Blatt Wangerland, Göttingen 1986. Neue
Heimatkarte von Ostfriesland, Ernst Völker Verlag Oldenburg. Andreas-Michael
Pajonk, Die Harlebucht, Oldenburg 2003, S. 142 ff. Günter Peperkorn, Werdum –
Aus der Geschichte eines Marschendorfes, Thunum 2003. Almuth Salomon,
Geschichte des Harlingerlandes bis 1600, Aurich 1965, S. 120 f. Ulrich von
Werdum, Series Familiae Werdumanae, Die Geschichte des Hauses Werdum. 2 Teile,
Aurich 1983, Seite 76.
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